Liebe Freundinnen und Freunde,


leider kann ich heute nicht bei Euch sein, aber ich möchte Euch dennoch meine Grüße und meine Solidarität im Gedenken an die Vertreibung Hunderttausender Palästinenser aus ihrer Heimat vor und während des Krieges von 1948 ausdrücken.


Ich war im Dezember selbst auf einer Reise in Israel und Palästina und habe gesehen, in welcher Situation die Palästinenserinnen und Palästinenser unter der völkerrechtswidrigen Besatzung leben müssen. In Hebron hat sich mir dies sehr eindrücklich dargestellt und vor allem auch in Jerusalem, wo ich unter anderem den palästinensischen Ortsteil Silwan besucht habe. Wie mir berichtet wurde, kommen dort inzwischen fast jeden Tag die Bulldozer, um die Häuser von Menschen zu zerstören, in denen sie seit Jahrzehnten leben. Die Begründung: diese Häuser hätten einmal Menschen gehört, die sie aber bereits vor dem Krieg von 1948 verlassen haben. Die Papiere der Betroffenen, mit denen sie beweisen können, dass sie das Land rechtmäßig erworben haben, zählen nicht, während zugleich die jüdische Bevölkerung laut den bestehenden Gesetzen ihre Ländereien auch noch nach Hunderten von Jahren zurückfordern kann. In meinen Augen ist das ein schreiendes Unrecht. Und hinzukommt noch, dass es sich bei Ostjerusalem um völkerrechtswidrig besetztes und besiedeltes Land handelt, dessen Annexion die internationale Gemeinschaft niemals anerkannt hat. Allein in Silwan droht nun die Zerstörung von ca. 500 Wohneinheiten. International verbriefte Rechte wie das Recht auf Wohnen werden hier mit Füßen getreten, weil radikale Siedlerorganisationen mit Unterstützung der Regierung und der Gerichte möglichst viele Palästinenser aus Jerusalem vertreiben wollen! Ganz ähnlich sieht es z.B. in Sheikh Jarrah und im so genannten „Friedenswald“ in Jerusalem aus, wo ganz aktuell 500 bis 700 Menschen der Verlust ihres Wohnraums droht.


Auch die Mauer, von der israelischen Regierung beschönigend „Sperranlage“ genannt, hat ganze palästinensische Ortschaften von der Stadt Jerusalem abgeschnitten, zu der sie eigentlich gehören. Ohnehin verläuft die Mauer zu 85% auf palästinensischem Gebiet wenn man von den Grenzen von 1967 ausgeht. Und jetzt hat Benjamin Netanjahu auch noch angekündigt, große Teile der Westbank,
nämlich die, in denen sich die großen Siedlungsblöcke befinden, annektieren zu wollen. Dazu gehören würden unter anderem auch die großen israelischen Siedlungen im so genannten E1-Gebiet, wodurch nicht nur Ostjerusalem von der Westbank abgeschnitten würde, sondern auch die Westbank in zwei nicht miteinander verbundene Teile geteilt wäre. Palästina wäre demnach mit dem Gazastreifen und zwei Hälften des Westjordanlands in drei Teile zerteilt und damit keinesfalls in der Ausgangsposition, zu einem lebensfähigen Staat zu werden. Und je weiter die Vertreibung der Palästinenser aus Jerusalem und die Veränderung der Stadtgrenzen fortschreiten, desto unwahrscheinlicher wird es, dass Ostjerusalem zur Hauptstadt eines palästinensischen Staates werden wird.

Es ist dringend notwendig, gerade jetzt darauf hinzuweisen, dass über 70 Jahre nach der palästinensischen „Nakba“ die Vertreibung und die Entrechtung der palästinensischen Bevölkerung immer noch in vollem Gange sind. Gerade auch, weil für die nächsten Monate die Veröffentlichung des von US-Präsident Trump angekündigten „Jahrhundertdeals“ zur Lösung des Nahostkonflikts erwartet wird. Schaut man sich an, wer diesen Plan erarbeitet, nämlich vor allem der Schwiegersohn Trumps, Jared Kushner, der seit langem aktiv die völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen unterstützt sowie der ebenfalls als Hardliner bekannte US-Botschafter in Israel, muss davon ausgegangen werden, dass die US-Regierung das seit Jahrzehnten bestehende Bekenntnis zu einer Zweistaatenlösung mit diesem Plan ad acta legen wird. Donald Trump hat mit seiner Anerkennung Jerusalems als ungeteilte Hauptstadt Israels und der Verlegung der US-Botschaft dorthin genau wie mit seiner Akzeptanz der israelischen Annexion der syrischen Golanhöhen deutlich gezeigt, wohin es gehen soll. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird er auch israelischen Annexionen in der Westbank zustimmen.

Ich werde weiter entschieden für die Einhaltung des Völkerrechts eintreten und dafür, dass sich die israelische Regierung an die zahlreichen UN-Resolutionen zum Nahost-Konflikt hält. Dazu gehört auch, dass die Annexion des Golans und Jerusalems nicht anerkannt wird und dass den Palästinensern das Recht auf einen eigenen Staat nicht vorenthalten werden darf.


Die Bundesregierung fordere ich auf, sich der Politik der US-Administration entschieden entgegenzustellen und sich dafür einzusetzen, dass die Vertreibung der Palästinenser endlich ein Ende nimmt, die Besatzung beendet wird und ihnen ihre vollen Rechte zugestanden werden!

Zaklin Nastic, MdB