Kommentar zum Amnesty International Report 2017/18
(https://www.amnesty.de/der-amnesty-international-report-201718)
Zaklin Nastic, 22. Februar 2018
Minderheitenrechte und Grundrechte weltweit auf dem Rückzug / Weltweiter Vormarsch reaktionärer Politik / Soziale Menschenrechte fallen unter den Tisch
Der gerade erschiene Jahresbericht von Amnesty International zur Lage der Menschenrechte verdeutlicht die sich dramatisch verschlechternde Stellung derselben weltweit. Es ließe sich sehr ausführlich auf einzelne menschenrechtliche Bereiche und Aspekte eingehen, ich möchte hier zunächst eine komprimierte Einschätzung und Bewertung meinerseits abgeben.
Viele Staaten versuchen, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit einzuschränken oder rechtsstaatliche Garantien auszuhebeln. So wurden alleine im letzten Jahr 312 Menschen für ihren friedlichen Einsatz für die Menschenrechte ermordet. Darunter Journalisten, Gewerkschafter, Anwälte und Vertreterinnen von Minderheiten.
In immer mehr Staaten auf dieser Welt werden Minderheiten ausgegrenzt, verfolgt und dämonisiert. Eines der erschreckendsten Beispiele des vergangenen Jahres war die antimuslimisch motivierte Vertreibung von 655 000 Rohingya aus Myanmar. Aber auch in Nato-Staaten wie der Türkei oder Deutschlands Bündnispartner Saudi-Arabien werden Minderheiten verfolgt und von Seiten des Staates und führender Politiker systematisch ausgegrenzt.
Deutschland schweigt fatalerweise zu dieser Entwicklung.
Mindestens 2.982 Menschen starben 2017 bei dem Versuch, über das Mittelmeer nach Europa zu fliehen. Deutschland und die EU tragen mit ihrer Abschottungspolitik dazu bei, dass die Menschen, die vor Krieg oder Missachtung der Menschenrechte flüchten kaum noch Möglichkeiten haben, in der EU Zuflucht zu finden. Der EU-Mitgliedsstaat Ungarn wird im Bericht sogar explizit und zurecht als Beispiel für Ausgrenzung und Dämonisierung gegenüber Sinti, Roma, Juden und Muslimen genannt. Polen ist gerade dabei massiv die Meinungs- und Versammlungsfreiheit und das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung einzuschränken. Zu all dem was bei den „Nachbarn“ passiert, kommt von der deutschen Regierung nichts, wie auch zu der Zunahme von rassistischer Stimmungsmache weltweit. Dabei bräuchte es grade jetzt von Deutschland klare Worte, ein Ende der Abschottungspolitik und eine Politik, die auf den Menschenrechten basiert.
Aber der Blick muss erst gar nicht in Richtung Nachbarn gewendet werden. Der Bericht von Amnesty International fällt ein durchaus kritisches Urteil in Bezugnahme auf die menschenrechtliche Situation in Deutschland. Die deutschen Behörden schoben 2017 unter Verstoß gegen den Grundsatz der Nicht-Zurückweisung (Non-Refoulement) weiterhin afghanische Staatsangehörige ab, deren Asylantrag abgelehnt worden war. Bis Ende des Jahres wurden 121 afghanische Staatsangehörige abgeschoben. Und das, obwohl sich die Sicherheitslage dort weiter verschlechterte und die deutsche Bundesregierung sich gleichzeitig mit Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP den Bundeswehreinsatz in Afghanistan verlängern ließ. Der Zynismus ist kaum auszuhalten.
Ebenso wird in Deutschland das Recht auf Familienzusammenführung für Menschen mit subsidiärem Schutzstatus weiter ausgesetzt. Ein Skandal und das nicht allein vor dem Hintergrund der Menschen- und Kinderrechte bezugnehmend auf das Recht als Familie zusammenleben zu können. Dieses Grundrecht auf Familienleben, dieses Menschenrecht gilt für alle Menschen unabhängig ihrer Staatsangehörigkeit. Für Geflüchtete folgt daraus das Recht auf Familienzusammenführung, wenn das Familienleben andernorts nicht möglich ist. Für mich gilt die Familieneinheit von Kindern und ihren Eltern zu schützen und bei diesem Schutz keine Trennung aufzumachen. Er muss ebenso für subsidiär Geschützte gelten. Die Bundesregierung genehmigte auch 2017 weiterhin den Export von Waffen und anderen Rüstungsgütern in Länder, wie bspw. die Türkei. Hier ist mittlerweile offenbar, dass die türkische Armee mit deutschen Leopard II Panzern in Nordsyrien bombt und die exportierten Waffen Deutschlands eingesetzt werden, um schwere Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Die künftige Bundesregierung muss einen sofortigen Rüstungsexportstopp verhängen, insbesondere in Kriegs- und Krisengebiete. Laut Amnesty International Report verzeichnete das deutsche Innenministerium in den ersten neun Monaten des Jahres 2017 1212 Straftaten gegen geflüchtete Menschen und Asylsuchende und 210 Straftaten gegen Unterkünfte von Asylsuchenden. Der aufgeheizten und bedrohlichen Stimmungslage von rechts wird aber durch keine politische Maßnahme der Bundesregierung begegnet. Im Gegenteil: Weder gibt es eine soziale Offensive für alle, die es vermag die Sorge vor Armut im Alter unbegründet zu machen oder eine bezahlbare Wohnung garantiert zu bekommen, noch haben die Behörden des Bundes und der Länder auch 2017 eine systematische Risikoeinschätzung der Gefährdung von Asylunterkünften vorgenommen, aufgrund derer die Polizei, angemessenen Schutz bereitstellen könnte. Auch berichten zivilgesellschaftliche Organisationen weiterhin über rassistisch motivierte Identitätskontrollen durch die Polizei. Der Fall Oury Jallohs ist ein besonders aufrüttelndes Beispiel rassistischer Gewalt in Deutschland. Ebenfalls im Bereich der Achtung der Privatssphäre (Im Juni 2017 verabschiedete der Bundestag ein Gesetz, das es Strafverfolgungsbehörden gestattet, neue Überwachungstechnologien einzusetzen – dazu zählt die Installation von Überwachungssoftware auf Computern und Telefonen) oder der Gewaltanwendung durch Polizistinnen und Polizisten (das Dezernat Interne Ermittlungen in Hamburg führte mit Stand November 109 Ermittlungsverfahren gegen Polizisten wegen mutmaßlich rechtswidriger Gewaltanwendung während der Protestkundgebungen gegen den G20-Gipfel im Juli in Hamburg) bescheinigt der Amnesty Report Deutschland Missstände aus menschenrechtlicher Perspektive.
Ein kurzer Blick über den „großen Teich“ macht schnell deutlich, dass die USA weiterhin auf die menschenwürdeverachtende Praxis der Todesstrafe setzen. 2017 wurden in acht US-Bundesstaaten insgesamt 23 Männer hingerichtet und insgesamt mindestens 39 Todesurteile verhängt. Ende 2017 waren in den USA etwa 2.800 Personen zum Tode verurteilt.
Auch der sog. Westen bekleckert sich keinesfalls mit Ruhm. Die Achtung von Menschenrechten muss in Deutschland und weltweit jeden Tag auf’s neue beschützt und erkämpft werden.