1. Glauben sie, dass ein Abkommen zwischen Belgrad und Priština möglich ist und wie kann die EU – allen voran Deutschland – helfen?
Ich bin fest davon überzeugt, dass in der internationalen Diplomatie Streitfragen durch Dialog und Verständigung geklärt werden können. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass auch Serbien und Kosovo miteinander verhandeln können. Eine Verschiebung der Grenzen löst jedoch keine der sozialen und wirtschaftlichen Probleme. Diejenigen die es betrifft sollten miteinander Entscheidungen treffen und nicht Deutschland. Es hat Zwei Jahrzehnte an der Zerstückelung Jugoslawiens aktiv mitgewirkt und sollte endlich seine Überheblichkeit und Einmischung gegenüber anderen beenden.
2. Glauben sie, dass eine Lösung zwischen Belgrad und Pristina ohne die USA möglich ist und sollten Russland und China eingebunden werden?
Die US-Regierung unter Donald Trump hat in den vergangenen zwei Jahren so gut wie kein Interesse an der Region des Westbalkans gezeigt. Das ist auch gut so. Die USA sollten sich militärisch aus der Region zurückziehen und politisch sowie durch Entwicklungshilfe die Lösung unterstützen, auf die sich die regionalen Akteure einigen.
China und Russland haben in den vergangenen beiden Jahrzehnten stets auf eine Lösung basierend auf dem Völkerrecht gesetzt. Das ist zu begrüßen. Vor allem China bietet mit dem Projekt der Neuen Seidenstraße sowie im Rahmen des China-Mittel-Ost-Europa-Formats vielen Staaten der Region nun Investitionen im großen Stil an. Jedoch darf wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland und China nicht dazu führen, dass diese Länder von der EU genötigt werden, diese Zusammenarbeit gar nicht erst aufzunehmen.
3. Wie stark ist die serbische Diaspora in Deutschland?
In Deutschland lebt die größte serbische Auslands-Community in Europa. Viele Serben haben die deutsche Politik und die Gesellschaft in den vergangenen 50 Jahren geprägt. Damals kamen viele Gastarbeiter aus Jugoslawien nach Westdeutschland und halfen der Bundesrepublik bei ihrem Wirtschaftswunder und dies taten die Serben, trotz des zweiten Weltkrieges der verheerend für Serbien und seine Bevölkerung war.
Doch statt unsere beiden Völker in Frieden und Freundschaft zu vereinen, betrieben die deutschen Regierungen seit 1990 eine katastrophale Balkanpolitik. Dies ist wirklich beschämend.
4. Was ist ihre Meinung zu Botschafter Richard Grenell, der nun Sondergesandter für die Friedensverhandlungen zwischen Serbien und dem Kosovo ist?
Botschafter Grenell hat keinerlei diplomatische Ausbildung erhalten und sein Verhalten in Berlin hat schon mehrmals dazu geführt, dass meine Fraktion und andere deutsche Politiker zurecht gefordert haben, dass er wieder abberufen wird. Er hat keinen sonderlich guten Ruf in Deutschland.
Er hat auch noch nie zum Balkan gearbeitet. Hoffen wir nur, dass Herr Grenell nicht so viel diplomatischen Schaden auf dem Westbalkan anrichtet wie er es auch in Deutschland getan hat.
5. Sollte ein EU-Land die Anerkennung des Kosovos zurücknehmen, für wie realistisch halten sie es, dass dies im Bundestag diskutiert wird?
Die Rücknahme der diplomatischen Anerkennung des Kosovos ist seit zwei Jahren ein weit verbreiteter Schritt von Staaten in Afrika, Ozeanien sowie Mittel- und Südamerika, darunter selbst enge US-Verbündete wie Palau. Das kommt nicht von ungefähr: Zunächst spaltete sich das Kosovo völkerrechtswidrig von Serbien ab, die soziale und wirtschaftliche Lage der breiten Masse der Bevölkerung hat sich seit 2008 nicht verändert und im Land dominieren Korruption und herrschen mutmaßliche Kriegsverbrecher.
Ende 2017 trat Malcolm Simmons, der damalige Chefrichter der so genannten Rechtsstaatsmission EULEX im Kosovo, zurück. Er wollte nicht mehr Teil dieser Farce sein und prangerte die Korruption in dem Gebiet an. Es wäre keine Überraschung, wenn nun auch erste EU-Staaten Konsequenzen aus den katastrophalen Zuständen im Kosovo ziehen würden.
Ich gehe davon aus, dass das dann auf die Tagesordnung des Bundestages gesetzt werden würde. Aber nicht, um die reale Lage in der Kosovo-Region endlich zu analysieren und vielleicht auch die eigenen Fehler zu hinterfragen. Nein, ich gehe davon aus, dass nur weiter Parolen ausgegeben werden, um die eigene Mitschuld an der katastrophalen Situation dieses künstlich, mit Einsatz von Krieg geschaffenen Staates weiter zu verdecken. Eine ehrliche Debatte über die Lage im Kosovo gibt es in Deutschland auch 20 Jahre nach dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der NATO bis heute nicht.
6. Glauben sie, dass frühere UÇK-Mitglieder jemals für ihre Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden?
Bisher blieb eine konsequente Verfolgung der einstigen Kriegsverbrechen der UÇK aus. Im Jahr 2016 richtete die EU ein Sondergericht in den Niederlanden ein, da zu viele Prozesse gegen führende UÇK-Kader durch Zeugeneinschüchterungen und mysteriöse Todesfälle vorzeitig beendet wurden. Die so genannte EU-Rechtsstaatsmission hat ja auch versagt, eine unabhängige Justiz aufzubauen und scheint durch Korruption zerfressen. Deswegen haben die EU-Staaten dann endlich eingesehen, nach 17 Jahren eben jenes Sondergericht einzurichten. Das ist ein trauriges Zeugnis der bisherigen EU-Arbeit im Kosovo. Ich hoffe, dass die in Kriegsverbrechen verwickelten einstigen UÇK-Kader für ihre Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden, Aufarbeitung ist ein wichtiger Baustein um überhaupt zur Versöhnung gelangen zu können.
7. Wie sehr wird der Brexit die EU beeinflussen? Der Brexit beeinflusst jetzt schon die Europäische Union sehr stark. Mit dem nahenden Ausscheiden Großbritanniens aus der EU konnten sich die deutschen und französischen Kräfte durchsetzen, die auf eine Militarisierung der EU setzen. Die Inthronisierung von Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidenten ist nur ein weiteres Zeichen dafür. In der EU bedeutet es auch allgemein, dass Deutschland an Einfluss gewinnt. Das ist kein gutes Zeichen für kleine Staaten Osteuropas, da die deutschen Regierungen konsequent seit 1990 auf eine Hegemonie in Osteuropa setzen. Genau diese Stoßrichtung war ja auch ein Antreiber bei der Zerschlagung Jugoslawiens.