Beide unten verlinkten Interviews sind in Fragestellung und Antwort gleich, das Medium “Vesti Online” hat einige Fragen jedoch nicht veröffentlicht, während sich “Kosovo Online” entschied, die längere Version zu publizieren.

Zu den Originalen kommt ihr über das jeweilige Logo des Mediums.

Aus dem Englischen übersetzt

Die Bundestagsabgeordnete der Linken, Zaklin Nastic, verurteilte in einem Interview für Kosovo Online den Druck der EU und insbesondere Deutschlands, der sich nur gegen Belgrad richte, weil er zeige, dass Berlin kein neutraler Partner sei. Nastic schätzt, dass dies bedeutet, dass Pristina, d.h. der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti, zunehmend gegen Vereinbarungen verstoßen wird und dies zu weiteren Konflikten führen wird.

“Serbien steht derzeit unter großem Druck, dem deutsch-französischen Plan zuzustimmen, aber Serbien und seine Bürger dürfen nicht länger zum Spielball westlicher Länder und ihrer Interessen werden, sondern das Volk muss entscheiden”, sagt Nastic.

Sie fügt hinzu, dass die deutsche Regierung “mit verbundenen Augen” Außenpolitik betreibe und dass sie sich schäme, dass Berlin die ethnisch motivierten Angriffe auf die Serben im Kosovo zu Beginn des Jahres nicht verurteilt habe.

15 Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo gibt es wieder einen Krieg in Europa. Hat die Anerkennung des Kosovo einen Präzedenzfall geschaffen, der zu Instabilität in Europa und indirekt auch zum Krieg in der Ukraine geführt hat?

Die völkerrechtswidrige Abspaltung Kosovos von der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien mittels eines Angriffskrieges durch die NATO hat ohne Zweifel einen Präzedenzfall geschaffen, auf den sich andere Länder heute berufen. Die NATO hat damals nicht nur gegen das Völkerrecht, sondern auch gegen die von ihren Mitgliedstaaten mit verabschiedete Resolution 1244, in der die Souveränität und territoriale Integrität der Bundesrepublik Jugoslawien bestätigt wurden, verstoßen. Der russische Präsident Wladimir Putin hat sich bei seiner Annexion der vier ukrainischen Regionen Luhansk, Donezk, Saporischja und Cherson wie zuvor schon bei der Annexion der Krim auf den Völkerrechtsbruch bei der Abspaltung Kosovos berufen.

Die Regierenden der westlichen Industrienationen sind wegen ihrer eigenen Verstöße gegen das Völkerrecht wenig glaubwürdig, wenn sie nun dessen bedingungslose Einhaltung fordern.

Ich verurteile jeden dieser völkerrechtswidrigen Kriege, es gibt keinen besseren oder schlechteren.

Gilt noch das internationale Recht?

Das internationale Recht zeichnet sich durch seine universelle Gültigkeit aus. Leider haben allen voran die NATO-Mitgliedstaaten das Völkerrecht vielmals gebrochen und dadurch das Vertrauen in seine Umsetzung geschwächt. Der völkerrechtswidrige Krieg der NATO gegen die damalige Bundesrepublik Jugoslawien sowie die Anerkennung der Abspaltung Kosovos sind nur einige Beispiele für die Verletzung internationalen Rechts durch den Westen.

Damit internationales Recht wieder bedingungslos umgesetzt wird, müssen all diejenigen, die gegen das Völkerrecht verstoßen haben, dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Wenn weiter bestimmte Nationalitäten vor den Internationalen Strafgerichtshof oder Sondertribunale gestellt werden, andere wie die USA aber nicht, schwächt dies die Glaubwürdigkeit internationaler Gerichtsbarkeit und lässt das Völkerrecht zur Makulatur verkommen.

Wie sehen Sie die Zukunft Kosovos?

Es ist kein Geheimnis, dass ich die völkerrechtswidrige Abspaltung des Kosovo kritisiere und die Anerkennung seiner Unabhängigkeit durch den Westen als historischen Fehler betrachte. Das Land ist dysfunktional, Korruption herrscht auf einem hohen Niveau, die Arbeitslosenquote ist erschreckend hoch und Nazikollaborateure wie Xhafer Deva werden von Teilen der Bevölkerung, bis in die Regierungsebene verehrt. Der Staatsaufbau im Kosovo als “transatlantisches Projekt” – wie es 2020 von der CDU-Außenpolitikerin Gisela Mandela bezeichnet wurde – ist in meinen Augen gescheitert. Trotzdem müssen wir eine Lösung finden, die für beide Seiten befriedigend ist und die auf keinen Fall mit Waffen erstritten werden darf. Daher erwarte ich von den politisch Handelnden in Pristina eine konstruktive Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft, insbesondere mit  Serbien, um eine friedliche Co-Existenz zu garantieren, die der serbischen Minderheit und allen anderen Minderheiten die ihr zustehenden Rechte garantiert. Die Diskriminierung und Übergriffe  auf Minderheiten müssen sofort beendet werden, auch hier muss Pristina alles zur Aufklärung und Ahndung dieser Vorfälle beitragen. Daran müssen sie den von ihnen propagierten demokratischen Rechtsstaat messen lassen.

Die EU und die USA üben großen Druck auf Belgrad und Pristina aus, um mit dem deutsch-französischen Plan eine schnelle Lösung zu erreichen. Ist dieser Plan eine mögliche Lösung für das Kosovo-Problem?

Serbien steht derzeit zweifellos stark unter Druck, dem deutsch-französischen Plan, der bisher weder mir noch der Öffentlichkeit zugänglich ist, zuzustimmen und das Kosovo faktisch anzuerkennen. Lösungsansätze sollten aber sorgfältig überdacht und diskutiert werden, auch mit der serbischen Öffentlichkeit, um sicherzustellen, dass sie den Interessen aller Beteiligten gerecht werden. Ich halte die Errichtung eines Bundes der serbischen Gemeinden im Kosovo, der sich beide Seiten schon 2013 im Brüsseler Abkommen verpflichtet haben und die auch Teil des deutsch-französischen Plans sein soll, für einen richtigen Schritt. Allerdings hat Albin Kurti jüngst angekündigt, die Zustimmung zur Errichtung entsprechender Gemeinden an die Anerkennung des Kosovo durch Belgrad zu knüpfen. Dass er damit die offizielle Zustimmung Pristinas aus dem Jahr 2013 aufkündigt, lässt ernste Zweifel an seiner Zuverlässigkeit als Verhandlungspartner aufkommen. Damit ist auch fraglich, ob er sich an die im deutsch-französischen Plan festgeschriebenen Vereinbarungen halten würde. Letztendlich muss die serbische Bevölkerung, zum Beispiel durch ein Referendum, an solch weitreichenden Entscheidungsprozessen beteiligt werden. Serbien und seine Bevölkerung dürfen nicht weiter zum Spielball westlicher Staaten und ihrer Interessen gemacht werden, die Menschen sind für mich der Souverän.

Der deutsch-französische Vorschlag sieht die Mitgliedschaft des Kosovo in der UNO, der NATO und der EU vor. Was würde das bedeuten und warum besteht Berlin darauf?

Die Mitgliedschaft des Kosovo in UNO, NATO und EU würde bedeuten, dass seine Unabhängigkeit und politische Souveränität auf internationaler Ebene anerkannt und somit auf ein bisher nie dagewesenes Niveau angehoben würden. Dies würde den Präzedenzfall, der durch die Abspaltung des Kosovo geschaffen wurde, weiter „legitimieren“. Es geht dabei jedoch auch um die Ausweitung von Einflussbereichen. Berlin und andere Regierungssitze setzen sich für diesen Vorschlag ein, da es eine günstige Möglichkeit bietet, ihren Einfluss im Balkan zu erweitern und zu festigen. Ich halte dies nicht nur für falsch, sondern auch für gefährlich.

Pristina wehrt sich gegen die Gründung des Verbunds der Gemeinden mit serbischer Bevölkerungsmehrheit, die in Brüssel vereinbart wurde. Warum wird von Deutschland kein Druck auf Pristina ausgeübt, alle unterzeichneten Vereinbarungen umzusetzen?

Dass Pristina sich bis heute weigert, den Verband der serbischen Gemeinden zu bilden, kritisiere ich scharf. Schließlich hätte die Bildung des Verbandes, die bereits 2013 vereinbart wurde, längst erfolgt sein sollen. Die Missachtung der Rechte der serbischen Minderheit hat uns kürzlich fast an den Rand eines erneuten bewaffneten Konflikts gebracht. Gerne wird auch aus der Ampelkoalition, u.a von einigen Grünen und SPDlern, in Deutschland angeführt, man riskiere damit eine Situation wie in der Republika Srpska und schaffe dadurch Instabilität. Ich halte dies für ein falsches und demagogisches Argument, durch das auch aus Deutschland Herrn Kurti Unterstützung geleistet werden soll, denn es gibt Staaten, in denen solche Gemeindeverbände sehr gut funktionieren. So gibt es allein in Spanien zahlreiche autonome Gemeindeverbände, denen Befugnisse im Bereich der Bildung, Kultur, Verkehr und Wirtschaft eingeräumt werden. Diese Gemeindeverbände haben eine wichtige Rolle bei der Förderung der kulturellen und sprachlichen Identitäten und bei der Vertretung der Interessen der Gemeinden auf regionaler und nationaler Ebene.

Im Hinblick auf mangelndem Druck zur Umsetzung der Verträge ist zu beobachten, dass der Westen einseitig agiert und Serbien zwingen möchte, seine Forderung nach Gründung des Verbandes aufzugeben. Und natürlich spielt hier der Kampf um Einflusssphären gegen Russland und China eine Rolle.

Wie sehen Sie die Rolle Serbiens bei den derzeitigen Kosovo-Gesprächen?

Ich begrüße, dass man sich trotz der Umstände einer nachhaltigen Verhandlungslösung annähert. Trotz des massiven Drucks, der auf Serbien seit Jahren ausgeübt wird, hoffe ich, dass es zu einer konstruktiven Lösung des Konflikts kommt. Aber wie bereits erwähnt, die serbische Bevölkerung, die insbesondere durch den Angriffskrieg der NATO viel erlitten hat, ist für mich der Souverän.

Auf eine schriftliche Frage hat die Bundesregierung vor wenigen Tagen geantwortet, dass sie keine Kenntnis von ethnisch motivierten Übergriffen im Kosovo habe, obwohl es erst seit Anfang dieses Jahres mehrere bewaffnete Übergriffe auf serbische Kinder und Jugendliche gegeben hat. Glauben Sie, dass die Bundesregierung dies nicht sehen will, und warum ist das so?

Unsere Bundesregierung, allen voran die grüne Außenministerin Annalena Baerbock, hat sich zu Beginn ihrer Amtszeit offiziell vorgenommen, künftig in der Außenpolitik wertebasiert und feministisch zu agieren. Wie wenig universelle Bedeutung diesen Werten zugesprochen wird, zeigt die Nicht-Reaktion der Bundesregierung auf die Übergriffe während des orthodoxen Weihnachtsfestes, bei dem zwei junge Menschen, darunter ein elfjähriges Kind, von einem albanischen Polizisten angeschossen wurden. Das Schweigen der Bundesregierung dazu beschämt mich zutiefst. Für mich besteht überhaupt kein Zweifel, dass die Bundesregierung in ihrer Außenpolitik massive Scheuklappen aufhat. Mit wertebasierter Außenpolitik hat das nichts zu tun.

Ist es gut für die EU, so viel Druck auf Serbien auszuüben, selbst wenn man bedenkt, dass dadurch politische Instabilität provoziert wird?

Ich lehne das Agieren der EU und auch der Bundesregierung ab. Druck ist hier völlig illegitim,  die EU ist hier eben kein neutraler Partner. Immerhin haben die NATO-Staaten und damit große Teile der EU den völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien geführt und die heutige Situation dadurch mit verursacht. Druck wird nur weitere Konflikte erzeugen und in diesem Fall, da er einseitig nur auf Belgrad erfolgt, dazu führen, dass Kurti immer mehr Versprechen und Abkommen bricht und sich auf seine kompromisslose Position versteift. Solange die Bundesregierung und die EU die Interessen Serbiens und der serbischen Bevölkerung im Kosovo negieren, können sie für sich nicht in Anspruch nehmen, neutrale Vermittler zu sein.