Heute ist Welttag der sozialen Gerechtigkeit. Es ist kein Grund zum Feiern, denn Deutschland ist von sozialer Gerechtigkeit meilenweit entfernt. Die Kluft zwischen Arm und Reich geht hier schon seit Jahren auseinander. 15,6 Prozent der Renter:innen sind von Altersarmut betroffen. Bei Kindern und Jugendlichen sind es sogar 21,3 Prozent, die unter Armut zu leiden haben. Die Corona-Krise verschärft diese Entwicklung noch einmal drastisch – laut einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) sind Erwerbspersonen mit zuvor niedrigem Einkommen im Verlauf der Pandemie fast doppelt so häufig von Einbußen betroffen wie Besserverdiener. Die Existenz vieler Betroffener ist in massiver Gefahr. Unter der aktuellen Entwicklung leiden insbesondere Obdachlose, Hartz-IV-Empfänger:innen, Selbstständige, prekär Beschäftigte wie Leiharbeiter und Minijobber sowie Menschen mit Migrationshintergrund und mit Kindern.
Zugleich profitieren die Superreichen in einem immensen Umfang von dieser Krise. Allein die zehn reichsten Deutschen haben ein zusätzliches Vermögen von insgesamt 242 Milliarden Dollar angehäuft – ein Plus von 35 Prozent. An der Spitze steht dabei der Heilbronner Unternehmer Dieter Schwarz (Lidl und Kaufland). Er verbucht mit einem Plus von mehr als 14 Milliarden auf 36,8 Milliarden Dollar den höchsten Zugewinn der Corona-Zeit. Dahinter rangiert Schrauben- und Teile-Fabrikant Reinhold Würth, dessen Vermögen von 11,2 auf 20,6 Milliarden Dollar gestiegen ist. Auf Platz drei folgen einer Oxfam-Studie zufolge Susanne und Stefan Quandt, die größten Anteilseigener von BMW. Ihre Vermögen haben von 21 auf 26,4 Milliarden und von 17,5 auf 20,3 Milliarden Euro zugelegt. Sowohl Würth als auch BMW schickten ihre Beschäftigten zeitweise im großen Umfang in Kurzarbeit. Ihr Vermögenszuwachs resultiert also direkt aus der prekären Situation ihrer Mitarbeiter:innen – und aus Steuergeldern hart arbeitender Bürgerinnen und Bürger.
Somit ist klar – es findet eine perfide Umverteilung von unten nach oben statt. Das hat nichts mit einer gerechten Verteilung von Einkommen und Vermögen zu tun. Aber auch die von neoliberaler und konservativer Seite vielbeschworene Leistungsgerechtigkeit ist im Kapitalismus nicht umsetzbar. Es ist nicht leistungsgerecht, wenn Familienerben Milliarden scheffeln, während Beschäftigte systemrelevanter Berufe gleichzeitig von Einkommenseinbußen betroffen sind. Wir Linke fordern einen grundlegenden Systemwechsel im Sinne der sozialen Gerechtigkeit. Die ersten Schritte dafür wären eine Corona-Vermögensabgabe sowie eine gerechte Vermögens- und Erbschaftssteuer für Superreiche und Milliardenerben. Doch grundsätzlich müssen wir anerkennen – ohne die Abkehr vom Kapitalismus doktern wir nur an den Problemen herum, anstatt sie systematisch anzugehen.