Das Interview in Übersetzung findet ihr untenstehend
aus dem Spanischen:
Zaklin Nastić ist deutsche Bundestagsabgeordnete und menschenrechtspolitische Sprecherin sowie Obfrau im Verteidigungsausschuss für ihre Fraktion DIE LINKE. Als Abgeordnete ist sie bekannte Kritikerin des Kurses der Bundesregierung bei ihrem Wirtschaftskrieg gegen Russland und den deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine. Mithilfe eines von ihr in Auftrag gegebenen Gutachtens der wissenschaftlichen Dienste des Bundestags konnte Frau Nastić nachweisen, dass Deutschlands Waffenlieferungen und Ausbildungen von ukrainischen Soldaten auf deutschem Boden das Land zur Kriegspartei machen.
Ciudadano: Frau Nastić, Sie sind eine bekannte Kritikerin der Bundesregierung in Sachen Sanktionen gegen Russland. Der Westen und damit auch Deutschland hatten so auf den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine vor einem Jahr reagiert. Worin liegt ihre Kritik am Sanktionsregime?
Nastić : Unilaterale Sanktionen liegen völkerrechtlich betrachtet mindestens in einer Grauzone. Völkerrechtskonforme Sanktionsregime kann eigentlich nur der UN-Sicherheitsrat beschließen, was im Fall der Russland-Sanktionen nicht der Fall ist. Wobei selbst mit Beschluss des UN-Sicherheitsrats ein wichtiges Kriterium ist, dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. Dies aber ist meistens nicht der Fall. Bestes Beispiel sind die Irak-Sanktionen der 90er Jahre: zwar wurden sie vom UN-Sicherheitsrat beschlossen, wegen ihrer fatalen Auswirkungen – mindestens 1,5 Millionen Menschen haben ihr Leben verloren, darunter eine halbe Million Kinder – aber waren sie trotzdem ganz klar völkerrechtswidrig.
Die politisch motivierten Sanktionen des Westens sind ein hybrider Krieg gegen die Zivilbevölkerung und fordern nicht selten Tausende Todesopfer, weil sie die Nahrungsmittelversorgung und die Einfuhr medizinischer Produkte erheblich stören. Und dies gilt selbst dann, wenn diese Waren offiziell von den Sanktionen ausgenommen werden. Kuba und Venezuela sind hier prominente Beispiele aus Lateinamerika. Weitere beschämende Beispiele sind die Sanktionen gegen den Iran, gegen Syrien und gegen mehrere afrikanische Länder.
Mit solchen Wirtschaftskriegen setzen in erster Linie mächtige Industrienationen unterlegene Nationen aus dem globalen Süden unter Druck und als Menschenrechts und Sozial, sowie Friedlich orientierte ist es geboten diese Instrumente generell ablehnen. Kein Staat der Welt darf einfach nach eigenem Ermessen ihm politisch unliebsame Staaten sanktionieren. Das Recht des Stärkeren darf keinen Platz in der internationalen Politik haben. Solche Sanktionen sind ein stiller aber tödlicher Krieg, den Linke nie zustimmen dürfen.
Ciudadano: Welche Folgen lassen sich für Deutschland aus diesem Wirtschaftskrieg gegen Russland nennen?
Nastić: Es zeigen sich natürlich nicht nur Folgen für die sanktionierten Staaten, sondern auch für die Staaten, die die Sanktionen aussprechen. Europa hat vor allem auf Druck der USA hin sehr umfassende Sanktionen gegen die Russische Föderation verhängt. Seit Jahrzehnten ist es Ziel der US-Politik, die EU an sich zu binden und einen Keil zwischen diese und Russland zu treiben. Viele Unternehmen hierzulande, wie die Chemiebranche, haben lange Jahre von der günstigen Energie aus Russland profitiert, die nun aufgrund der Wirtschaftssanktionen nicht mehr verfügbar ist.
In Deutschland haben die Sanktionen gegen den russischen Energiesektor unfassbar hohe Energiepreise für Gas und Strom zur Folge, die die Verarmung von vielen Menschen vorangetrieben und viele Industrieunternehmen in Not oder an den Rand des Ruins gebracht hat. Die fast schon historische Inflation tut ihr Übriges. Immer mehr Menschen müssen um ihre Existenz bangen. Ende Februar dieses Jahres kündigte das deutsche Chemieunternehmen BASF die Streichung von 2.600 Stellen aufgrund des Kostendrucks an. Zusammen mit vielen Kollegen meiner Fraktion im Bundestag kritisiere ich die Sanktionen als völkerrechtswidrig, unsozial und als Deindustrialisierungsmaßnahme. Die Folgen für Deutschland und die hier lebenden Menschen sind enorm. Gerade weil sie wohl noch sehr lange nachwirken werden, halte ich die Politik der Bundesregierung für absolut verantwortungslos.
Ciudadano: Zusätzlich zu den umfassenden Sanktionen liefert Deutschland auch massenhaft Waffen an die Ukraine. Welche Gefahren sehen sie in dieser Politik?
Nastić: Es ist erschreckend, dass deutsche Leopard-Panzer 75 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs wieder in den Krieg gegen Russland eingesetzt werden. Allein schon aus seiner historischen Verantwortung heraus sollte Deutschland an keinen Staat Waffen liefern. Die Kriegstreiberei vieler Politiker, auch in Unterstützung durch Journalisten, die zusammen mit ukrainischen Rechten in einer unheiligen Allianz einen Sieg gegen Moskau herbeisehnen, birgt für Deutschland und die Welt eine sehr große Gefahr.
Dieser Krieg ist militärisch für die Ukraine nicht zu gewinnen und die Waffenlieferungen des Westens verlängern nur das Leid. Jeden Tag, den dieser Krieg dauert, erhöht sich auch die Gefahr einer atomaren Konfrontation zwischen der NATO und Russland. Als vor einigen Monaten eine ukrainische Rakete auf polnisches Gebiet einschlug, forderten einige Akteure der Ampelkoalition hierzulande schon einen Bündnisfall der NATO auszurufen gegen die angeblich schuldigen Russen, der zum dritten Weltkrieg hätte führen können. Solche Politiker sind unverantwortlich, sie spielen hier mit nichts anderem als mit dem Ausbruch eines Dritten Weltkrieges und nehmen damit den Tod von Millionen von Menschen in Kauf, das ist untragbar. Der völkerrechtswidrige Krieg muss schnellstmöglich beendet werden, das Leid der Menschen muss gestoppt werden, die Gefahr einer nuklearen Eskalation kann nur so wieder unter Kontrolle gebracht werden.
Das Agieren der Bundesregierung ist für Deutschland auch aus nationaler Sicht eine Katastrophe. Laut eines von mir Auftrag gegebenen Gutachtens der wissenschaftlichen Dienste des Bundestages, in dem ich fragte, wann sich nach internationalem Recht Deutschland zur Kriegspartei mache, wurde klar gemacht, dass durch die zunehmenden deutschen Waffenlieferungen und die Ausbildung ukrainischer Soldaten auf deutschem Boden die Bundesrepublik den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlässt. Das kann uns schnell in eine Spirale der Eskalation bringen, die keiner kontrollieren kann.
Ciudadano: Wie reagiert die deutsche Gesellschaft auf die Haltung der USA, der NATO und damit der eigenen Regierung in dieser Situation?
Nastić: Viele Deutsche sehen die zunehmenden Waffenlieferungen mit großem Unbehagen. An den zahllosen Tabubrüchen in der deutschen Außenpolitik und der Abwesenheit jeder konsequenten Friedenspolitik wird viel Kritik geäußert. Hunderttausende haben das Manifest für den Frieden unterzeichnet, das von der bekannten Feministin Alice Schwarzer und meiner Fraktionskollegin Sahra Wagenknecht initiiert wurde. Zehntausende kamen zur darauffolgenden Kundgebung in Berlin und viele mehr waren auf den traditionellen Ostermärschen für den Frieden in diesem Jahr. Der Widerstand gegen den Kriegskurs der Bundesregierung in der deutschen Bevölkerung wird stärker.
In Lateinamerika haben progressive Regierungen ihre Ablehnung gegenüber Waffenlieferungen bekundet und der brasilianische Präsident Lula sogar einen Friedensclub ins Spiel gebracht. Könnten sie sich vorstellen, dass Deutschland hier mitmachen könnte?
Ich würde mir sehr wünschen, dass die Kriegslogik, die in den USA und der EU in den Köpfen der agierenden Politiker verankert ist, durch einen Ansatz des Dialogs und der Verständigung verdrängt wird. Dieser Krieg wird nämlich nur durch Verhandlungen beendet werden können. Mal ganz davon abgesehen, dass auch führende Militärs nicht an einen Sieg der Ukraine glauben. Aus diesem Grund unterstütze ich die Initiativen Brasiliens und Chinas, diesen Krieg endlich durch Diplomatische Bemühungen zu beenden.
Das Problem ist, dass es zwar bereits greifbare Lösungen gegeben hat, diese aber torpediert wurden. Im Frühjahr vergangenen Jahres wäre nach Angabe des damaligen israelischen Premierministers Naftali Bennet, der zwischen beiden Seiten vermittelt hatte, ein Waffenstillstand möglich gewesen. Nach seinen Aussagen war es der Druck der USA und Großbritanniens, der zu Scheitern führte, obwohl sich Russland und die Ukraine einig gewesen waren. Der Krieg könnte beendet werden. Die westlichen Regierungen müssen endlich dem Frieden eine Chance geben.